Ahoi, Bia Hoi in Hanoi

So, nachdem ich 137 Anläufe unternommen habe den Chinaausflug schriftstellerisch zum Abschluss zu bringen, mit unbefriedigenden Ergebnissen, mache ich Gebrauch von meiner künstlerischen Freiheit und gehe nahtlos zum nächsten Thema über:

Willkommen in Vietnam oder Ahoi, wie wir Seeleute sagen.

Um mir für zukünftige Unterfangen den finanziellen Segen Chinesischer Gottheiten zu sichern, habe ich mir in einem Tempel in Shanghai eine goldene Glückskarte, die den Gott des Reichtums zeigt, gekauft. Ja, wer bekommen will der muss auch investieren.
Mit dem göttlichen Beistand auf meiner Seite, ließen meine ersten Millionen auch nicht lange auf sich warten (ich bin noch zu haben aber bitte nicht des Geldes wegen). Die Geldautomaten in Hanoi waren deutlich spendabler als die in Shenzhen und ich füllte meine Taschen mit Millionen …. Dong.
Sprich das letzte Wort ruhig nochmal vor Dich hin. Dong. Es klingt schon ein bisschen nach Zonk und hat in etwa auch den gleichen Wert. Die 5 Millionen Dong in meinen Taschen sind keine 200 Euro wert (ich hab ja gesagt, nicht des Geldes wegen).

Dennoch, 5 Millionen Dong kaufen eine ganze Menge, denn der Lebensunterhalt kann hier ziemlich günstig sein. Um die Kaufkraft einzelner Währungen in ihren Ländern besser vergleichen zu können, gibt es den Big Mac Index. Dabei dient dieses globale Produkt werteverfehlten Unternehmertums als Konstante (da es in jedem Land der Welt gleich ist) und lässt anhand seines lokalen Preises Rückschlüsse auf die Kaufkraft der entsprechenden Währung zu. Da ich aus naheliegenden Gründen kein Freund von McAss bin, nutze ich Bier als Index, damit kann ich mich besser identifizieren.

Damit sind wir auch schon, ganz ohne Umschweife, beim heutigen Thema angelangt. Auch wenn Du des Vietnamesischen nicht mächtig sein solltest, kannst Du vom Titel dieses Beitrags phonetisch in etwa erahnen, worum es in diesem Artikel gehen wird….na?, … na? Richtig. Bier!

Die Zeit des Reisens wollte ich neben vieler anderer Dinge auch dazu nutzen, ein wenig zu entgiften. Nicht das ich es nötig hätte aber wie der Volksmund so schön sagt: Vorbeugen ist besser als auf die Schuhe zu kotzen. Was andere Menschen mit einer Fastenwoche im Frühling und Herbst erledigen (nicht mein Ding), erledige ich mit einer artgerechten, gesunden Ernährung, Aktivität und einem beinah nichtexistenten Konsum von Alkohol. Also wie Zuhause. Klappte bis Hanoi auch ganz gut.

Hanoi hat mein Herz im Sturm erobert. Klar, es ist die Geburtstätte des Egg Coffee, es ist wuselig, laut und nach 3 Wochen China fühlte es sich wie die große Freiheit an. Ich kam abends in der Stadt an und ließ mich willig von dem Trubel mitreißen, der mich durch ihre Adern zog. Ohne mich zu orientieren landete ich in einem Etablissement neben den Bahngleisen, auf einem Plastikhocker für Vierjährige sitzend und mich gestikulierend mit zwei älteren Herren unterhaltend. Eine fließende Unterhaltung aufgrund sprachlicher Barrieren war kaum drin aber wir hatten einen gemeinsamen Nenner: Bier. Ich hatte mir eines bestellt. Nachdem ich es bekam, dreht ich mich zum Nachbartisch und prostete den Beiden zu. Im nächsten Augenblick fand ich mich eingeladen an ihrem Tisch wieder und aß aus ihren Schüsseln, was alle 30 Sekunden von einem weiteren Zuprosten und Trinken unterbrochen wurde. Dabei achteten meine Tischgenossen peinlichst genau darauf, dass das nächste frisch gezapfte Bier im Anflug war, wenn die Tankanzeige meines aktuellen Bieres im unteren Drittel angelangt war. Das mag jetzt verlockend klingen aber ich war nicht da um neue Geschwindigkeitsrekorde im Süffeln aufzustellen. Auch das Knabbern an den vor mir liegenden Schweinefüßen konnte die berauschende Wirkung, die sich langsam und deutlich einstellte, nicht mindern und geschah Missgeschick Nummer 1.

Auf unserem Tisch stand eine größere Essenschale, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. In der Annahme es handle sich hierbei um Wasser, entsorgte ich meine benutzen Stäbchen darin. Es war die Schnapsschüssel, in die man seine Gläser zum Auffüllen eintaucht. Gut, wieder was gelernt und die Beiden schienen es mir nicht übel zu nehmen. Zur Belohnung gab es jetzt Bier und Schnaps. Was für ein Glück, 6 Bier in einer halben Stunde kamen mir auch schon ziemlich mager vor.

Bevor sich mein Bewusstseins vollständig hinter einer rosaroten Wolkendecke meiner Kontrolle entzog und ich mich meiner Freundin Amy Winehouse näher fühlte, kam es mir noch rechtzeitig in den Sinn die Segel zu streichen. Ich zog die Reißleine und kündigte mein letztes Bier und das Verlangen zumindest für unseren Bierkonsum aufzukommen, an. Das war der 2. Fehler des Abends.

Das es zu Wiederständen kommen kann, wer was wie warum bezahlt, ist uns allen bekannt. In meinem Gedankengang sah ich mich, trotz meines studentischen Budgets, in der Rolle des wohlhabenderen Westlers, der sich jetzt unmöglich auf Kosten armer Vietnamesen Einen in die Rüstung kippen kann. Beide Herren waren sichtlich echauffiert über meinen unausgegorenen Plan ihren Wunsch nach einladender Gastfreundlichkeit mit meinem schnöden Mammon zu torpedieren. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich mit meinem Blick eines Schellfischs den Ernst der Lage und gab nach. Ich glaube damit, zumindest bei einem der Beiden, einen Herzinfarkt verhindert zu haben.

Gut angeschossen, schlenderte ich nun meinem Domizil entgegen und viel selig angetüddelt ins Bett.

Bleibt noch zu klären was es mit Bia Hoi auf sich hat. In Vietnam ist das die Bezeichnung für frisch gezapftes Bier, im Gegensatz zu dessen Verwandten in Dosen und Flaschen. Jetzt sollte man bei den Worten “frisch gezapft” nicht gleich in KneipenZapfHahnRomatik verfallen, denn es geht beim frischen Zapfen mitunter ganz wild zu. Wie in den meisten Ecken der Welt, lassen sich die aufregenden und schönen Sachen, in den dunklen, dreckigen Gassen, gleich hinter dem Hauptbahnhof finden. Genau dort hatte ich, nach einem langen Tag des Stadterkundens zu Fuß, das Vergnügen meines ersten Bia Hoi. Die wenigen Lokalen, die in dem großen, bis zur Decke gefliesten Raum an gemütlichen Granitplattentischen saßen, beäugten mich zwar skeptisch aber nicht missachtend. Von dieser warmherzigen Geste ermutigt ließ ich mich nieder und deutete der Bedienung auf ein Bier. Zustimmende Gesichtsausdrücke bei den Stammgästen. Das offensichtlich frisch gezapfte Bier stand keine halbe Minute später vor mir auf dem Tisch. Um sicherzugehen, dass es sich hierbei um keinen Zufall handelt, habe ich noch Biere 2, 3, 4 geordert. Die Biere werden von einem eigens dafür zuständigen Fachmann gezapft, Gläser abräumen und abwaschen übernehmen die Frauen. Der Zapfer, glimmende Kippe im Mundwinkel, hält einen Gartenschlauch in der Hand, dessen Ende in einer Wand verschwindet die nur Spekulationen über das dahinter zulässt. Aus dem anderen Ende wird der Fluss des Bieres und auch die Entstehung der Blume, durch den Zeigefinger des Zapfers reguliert, so wie Du das vom Blumengießen im Garten kennst. Das ist echtes Handwerk und von wegen braucht ein gut gezapftes Bier eine X Anzahl an Minuten. Wenige Sekunden, Schwups fertig. Nach beendetem Zapfvorgang, verschließt der Zapfer den Schlauch wahlweise mit Zeigefinder oder Daumen. Sollte es längere Zeit nichts zu zapfen geben, beschert ein konischer Pfropfen dem Zapferfinger eine Pause.

Das Bier ist frisch und kann locker mit unserem Industrieplörbräu mithalten, was auch nicht so schwer ist. Dieser Genuss wird in Gläsern ausgeschenkt, die aus wiederverwerteten Altglas produziert wurden. Ich kenne noch Geschichten, da wurde von der guten alten Zeit geredet und dass das Bier in der Kneipe nur 38 Pfennig gekostet hat. Naja dicht dran, in diesem Falle sind es 39 Cent auf dem Bier Preis-Qualität Index.

Ich mag Vietnam.

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