Der 1,20 Euro Unterschied

Die Tage in Hoi An waren sehr schön und angenehm und plätscherten so vor sich hin. Blieb nur noch das Problem meiner Abreise, dass ich auch erst kurz vor dieser als solches erkannte. Klassischer Anfängerfehler zum Neujahrswechsel in Asien, nicht schon weit im voraus die Verbindungen gebucht zu haben. Eigentlich wollte ich nach Dalat, dem Französischen Kurort in den von Pinien bewachsenen Bergen, bevor ich die letzte Station meines Vietnamtrips erreiche, Saigon. Doch Züge und Busse waren über die kommenden Tage hinweg ausgebucht. Und selbst bei den Fliegern, die ich nun als ultima ratio widerstrebend in Betracht zog, sah die Lage nicht anders aus. Nachdem ich alle meine Optionen nach Dalat zu gelangen erfolglos durchgespielt hatte, kam mir ein neues Ziel in den Sinn, das gar nicht so weit von Hoi An entfernte Danang. Von dort hatte ich dann die Möglichkeit, fünf Tage, später direkt nach Saigon zu fliegen. Ich entschied mich dazu.

Bei meiner Online-Buchung entschied ich mich für eine bis Dato mir unbekannte Fluglinie, VietJet Air, die stark an eine Billigfliegerflotte erinnert. Am Ende meines, von Panik getriebenen Buchungsvorgangs (ich hatte schon dutzende Buchungsversuche unternommen und immer war der Platz dann weg), war mir nicht ganz klar ob mein Gepäck mitreisen würde. Das unübersichtliche Kleingedruckte teilte mir mit, ich müsse hinzubuchen. Nachdem ich den Preis für meine Täschelchen sah, erinnerte ich mich an eine andere mögliche Tarifoption ganz zu Beginn des Buchungsvorgangs. Also erstmal Abbruch und von vorn beginnen.

Eine weitere Tarifoption ist unter dem völlig beknackten Namen SkyBoss zu buchen, Gepäck, Lounge, Premiumsitz, bla ,bla, bla inklusive, für nur 1,20 Euro mehr, als mich die Buchung meines Gepäcks gekostet hätte. Das Verlangen auch Mal der Chef im Himmel zu sein, ließ mich nicht lange zögern und ich tätigte diese zusätzliche Ausgabe, glücklich in dem Wissen nun nach Saigon zu kommen.

Am Tage meines Abflugs war ich pünktlich am Flughafen, der Flieger leider nicht. Das teilte mir die freundliche Dame am CheckIn mit. Sie teilte mir ebenfalls mit, das ich mir die Schlange (in der ich ja bereits gestanden hatte um zu ihr zu kommen) sparen kann, da ich, als SkyBoss Flieger den Business Class CheckIn zu nutzen habe und verwies mich dorthin. Der war leer. Nach dem CheckIn ging es weiter zum Security Check. Lange Schlange beim Pöbel, Leere in meiner Spur. Das hatte ich nicht erwartet. Ganz im Gegenteil, stellte ich mir die vermeintlichen Premium Vorteile eher so vor, dass ich auf einem orangefarbenen Stuhl warten würde, während alle anderen Fluggäste das auf einem grauen tun würden und ich bestenfalls noch ne Pappkrone aufgesetzt bekomme.

Mir wurde erneut freundlichst mitgeteilt, das ich meine Wartezeit in der Lounge verbringen dürfe, die ich als Raucherbude irgendwo zwischen den Glascontainern und den Klos vermutete. Doch auch hier wurde ich angenehm überrascht, ganz angenehm.
Abgeranzt wie ich war, betrat ich die stille und kaum besetzte Business Lounge, ängstlich wie eine Maus umher schnüffelnd, wo die Falle nun endlich zuschlagen würden. Statt der Falle fand ich ein Buffet und Bier im Kühlschrank, nirgends ein Preisschild. Und ganz langsam stellte sich Wohlgefallen ein, der nach dem dritten Bier in pure Freude überging. So verbrachte ich einige Stunden über dem Laptop in meine Arbeit vertieft, ein Bier nach dem anderen vertilgend und meine Trance befördernd, bis ich mal aufschaute und merkte, dass ich allein war im Raum. Ein Blick auf die Uhr verriet den Grund.

Nun rannte ich, leicht im Dresch, zum Gate wo Saigon angeschlagen stand und wo gerade die letzten Passagiere verschwanden. Ach, dann kann es so eng noch nicht sein und ich gab der Stewardess mit Handzeichen zu verstehen ich müsse noch aufs Klo bevor ich in den Flieger steige, die Biere forderten ihren Tribut. Als ich zurückkam deutete sie mir ich sei am falschen Gate, dieser Flug sei vollzählig. Kurze Panik, dann wieder rennen. Was war ich erleichtert nach 200 m noch Menschen am Gate Richtung Saigon zu finden. Halt, dachte ich, das kann nicht sein. Die müssten doch schon längst alle drin sein. Erneut falsches Gate, erneut Panik, erneutes Rennen.
Diesmal das richtige Gate. Kurzer Check der Bordkarte, dann ein “Please wait here Sir”. Ich wurde bei Seite gehalten und niemand durfte an mir an vorbei, um den Bus auf dem Rollfeld zu besteigen. Der fuhr dann auch ab. Stattdessen kam ein 20 Sitzer, in dem ich und eine junge Frau mit ihren beiden kleinen Kindern Platz nehmen durften aber niemand sonst. Ich verstand erst, als wir auf dem Rollfeld beim Flugzeug ankamen. Da stand schon der große Bus mit den Passagieren bereit, die genau in dem Augenblick aus dem Bus gelassen wurden, als wir mit dem unsrigen anrollten. Die auf das Flugzeug zuströmende Menschenmenge wurde vor der Treppe vom engagierten Bodenpersonal zum Stillstand gebracht, wie einst der Panzer auf dem Tiananmen Platz durch das Mütterchen.

Nun, da wir die Augenpaare einer 150köpfige Menschenmenge auf uns gerichtet hatten, durften wir vier würdevoll aus unserem Bus steigen. Ich war mir nicht sicher ob ich an dieser Stelle die Queen imitieren sollte, lächeln und winken oder einfach nur vor lauter Scham in den Boden bis zur Hölle versinken sollte. Ich tat was die Situation erforderte. Ich tat so als hätten die beiden Kinder der Dame eine fatale Erkrankung und mit trauerverzerrtem Märtyrergesicht, half ich den Dreien die Treppe zum Flugschiff empor. Die anderen Fluggäste durften erst das Flugzeug betreten, nachdem mein Gepäck verstaut und mir kniend Nüsse und Wasser gereicht wurden (kein Scherz), damit es mir auch an nichts mangele, wenn das gemeine Volk an mir vorbeizieht. Denn Natürlich sitze ich vorne und kann meine Füße dem Piloten in den Schoß legen.

Bei der Landung ist mir auch klar geworden, was der Befehl cross check des Kapitäns an seine crew eigentlich bedeutet. Es ist zwar ein Begriff aus dem Eishockey und wird in diesem kontaktfreundlichen Sport als Vergehen geahndet. Aber was im Sport eine Strafe nach sich zieht, gehört bei einer Stewardess zur Grundausbildung, was die ältere Dame, der ich den Vortritt gelassen habe, am eigenen Körper zu spüren bekam als sie zurück zu den anderen auf den Ausstieg wartenden Fluggästen geschubst wurde. Am unteren Ende der Treppe wartete erneut ein Mannschaftsbus darauf, dass eine kleine Taiwanesin, ihre beiden Kinder und ich die Plätze einnehmen, um dann, angekommen am Terminal, zu beobachten wie nun auch die restlichen Gäste das Flugzeug verlassen dürfen.

Weniger sollte für 1,20 Euro auch nicht drin sein, entscheid mein bierbesäuselter Geist. Ich werde jetzt nur noch fliegen.

 

Kommentare

3 Antworten

  1. Das ist ja der Hammer, was unsere Gesellschaft an Perversion so hervorbringt. Da weiß ich auch nicht ob ich lachen oder mich permanent entschuldigen soll. Wahrscheinlich geht es einem Chef auch ständig so-da ist der Name skyboss doch wieder ganz passend.
    Willkommen an Board Mr. Präsident 😀

  2. Mhmm…. „SkyBoss“. Klingt ein bisschen so wie der Endgegner früher bei „Super Mario Bros.“, der aus einer Wolke Dinge auf einen geschmissen hat.

    Aber so ganz rund ist das Angebot noch nicht. Ich meine, du wurdest nicht auf einer Sänfte getragen und niemand hat Rosenblätter auf den vor dir liegenden Weg gestreut. Da hast du Sparfuchs bestimmt wieder den einen Euro mehr für das „SkyBoss deluxe“-Paket gespart, oder?

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