Freiheit stirbt mit Sicherheit

Erneut befinde ich mich beim Schreiben dieser Zeilen in Bewegung. Noch habe ich kein Wort über China verloren und schon verlasse ich dieses vielseitige Land Richtung Vietnam, wo ich mich wieder allein auf Erkundungstour begeben werden. Ich freue mich sehr darauf, doch, erst der Reihe nach …

Vor ziemlich sehr genau zehn Jahren erlebte ich den bis dato schönsten Landeanflug in meinem Leben. Dieser Superlativ hat sich in der Zwischenzeit nicht. Damals hatte ich, auf TassenEi.de, über die spektakuläre Ankunft auf dem Roten Kontinent, Folgendes geschrieben:

Nach einem knapp achtstündigen Flug durch die Nacht, bot sich uns der atemberaubendste Ausblick aus einem Flugzeug den wir je erlebt hatten. Wir sind, nachdem wir über Brisbane Richtung Süden abgedreht haben, parallel die “Gold Coast“ (der Name ist Programm) entlang geflogen und konnten unter uns das Meer und den endlosen Strand, vor dem sich die traumhaften Wellen brechen, bewundern. Der Himmel hier ist strahlend blau und die Sonne scheint. Bevor wir zur Landung in Coolangatta ansetzten, sahen wir leuchtend grünen Berge, Seen, kleine Fjorde und dazwischen eingebettet die Einfamilienhäuser der glücklichen Menschen die hier leben.

Nachdem wir unsere freundlichste Flughafenabfertigung erlebt hatten, nahm die Euphorie kein Ende.…

Ja, so kann es gehen. Es geht auch anders.
Auf dem Flug von Bangkok nach Shenzhen war der Ausblick unter dem Flugzeug von einem dunkelgrauen, zerfurchten Wolkenteppich verborgen, der sich gegen den schwarzen Nachthimmel abhob. Orangefarbenes Licht schien in weiten Flächen gedämpft durch diesen Teppich und ließ die Chinesischen Ballungszentren unter mir erahnen. Es wirkte unheilvoll, ich sollte nicht enttäuscht werden.

Bevor es ans Gepäckband ging, wo man dem emsigen Flughafenpersonal auf riesigen Bildschirmen per Live Videoübertragung bei der Arbeit zuschaut und man deshalb weiß, dass man sich bei Luan* für die abgerissene Kofferrolle bedanken kann, muss die biometrische Opfergabe erbracht werden (Gesicht scannen, linke Finger, linker Daumen, rechte Finger, rechter Daumen scannen), es soll ja sicher zugehen. Zusätzlich wird die Körpertemperatur eines jeden Besuchers gemessen. Dazu stehen hunderte von Beamte mit Quecksilberthermometern bereit, die die Besucher auffordern die Hose herunterzulassen … kleiner Scherz! Die Messung erfolgt mittels Infrarotthermometern, die über den Besucherstrom wachen. So kann man sich auch gleich daran gewöhnen, dass ständig etwas Technisches auf einen gerichtet ist, meistens ein dutzend Kameras. Ich hör jetzt schon kritische Stimmen schreien Überwachungsstaat! aber so ist das ja nicht gemeint. Es geht ja hier ums Menschliche. Und der Mensch hat nunmal Schwächen und wenn er sich nicht mehr genau erinnern kann wann er wo war, kann ihm das ZK auch noch Jahrzehnte später seine Reiseroute und Aktivitäten vorlegen. So geht Service.

Holprig war bedauerlicherweise die Auskunft am Flughafen, bei meinem Versuch schnell ins Hotel zu kommen. Die erste Dame, des Englischen mächtig und trotzdem durch einen elektronischen Übersetzer mit mir kommunizierend, verwies mich zum nächsten Infoschalter. Zumindest ihr Problem war jetzt gelöst. Am nächsten Schalter, der auch im nächsten Dorf hätte liegen können, wiederholte ich mein Anliegen, zeigte die Adresse meines Hotels (in Latein und Hànzì) und bat um Empfehlung für meinen Transport dorthin. Das Taxi wäre wohl das Transportmittel der Wahl, ließ mich ein Gerät wissen, in das vorher eine der zwei Damen gesprochen hatte. Doch meine Kreditkarte wäre da nutzlos, wie ihre befremdlichen Blicke mir glaubhaft machten. Ich brauche Geld. Wo ist der nächste Automat? Die beiden Damen schauen sich gegenseitig fragend an. Zur Erinnerung: das ist nicht das Rollfeld von Putao ich befinde mich in einem internationalen Flughafen, in einer der fortschrittlichsten Städte (technisch gesehen und, wenn man das so auffassen mag) auf diesem Planeten, dem Hersteller Deines Smartphones, Fernsehers oder Mixers, egal, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfügst Du bei Dir zu Hause über ein Gerät, das genau von hier herkommt.
Da ich die technische Revolution verpasst habe und nicht über elektronische Zahlungsanbieter auf meinem Telefon verfüge, werde ich mit Bewegung belohnt und wandere mit meinem Gepäck in den abgelegendsten Winkel des Flughafens, der mir nicht nur Feng Shui technisch zu verstehen gibt, hier sei Endstation Hoffnung. Ich bin der einzige Mensch in dieser Ecke mit drei Geldautomaten, zwei davon offensichtlich defekt. Der dritte verweigert meine Karten (Plural!). Also wandere ich zum Infoschalter zurück, wo mich zwei Frauen ungläubig anschauen. Vielleicht hätte ich unterwegs mal ein Reh erlegen und essen oder mich zumindest rasieren sollen.
Ich gefalle Ihnen offensichtlich nicht aber sie sind immer noch hilfsbereit und lösungsorientiert. Alle Geldwechselbuden sind zwar bereits geschlossen aber wenn ich mich ein wenig gedulde, wird ein Jüngling kommen und mir Geld wechseln. Er kam, sah und zockte. Immer noch guter Dinge, hatte ich schon damit gerechnet nicht den aktuellen Wechselkurs zu erhalten. Doch was der Bursche mir anbot war pure Frechheit. Empört ging ich zu den Mädels zurück, auf eine andere Lösung hoffend. Während mir die Eine ihr Unverständnis meines Handelns ausdrückte, handelte die Andere und rief per Funke zwei Sicherheitskräfte, die hinter mir Stellung nahmen. Meinem Gefühl von Sicherheit war das eher abträglich und machte von meiner Freiheit Gebrauch beim Halunken Geld zu tauschen. Natürlich hatte sich der Kurs nachträglich geändert, zu meinen Ungunsten, dafür entschuldigte sich Robin Hood mehrmals, was ich, angesichts der Absurdität dieser Lage, dem ich nur mit herzlichem Lachen entgegnen konnte.

Im Elektrotaxi (der Antrieb, nicht die Musik) ging es zum Hotel. Das Trinkgeld für den Fahrer hätte ich mir sparen können, er hatte sich bei der Rückgabe des Wechselgeldes selbst dazu verholfen. Ich war müde, geknickt und durch den Concierge abgelenkt. Jetzt fühlte ich mich richtig miserabel, zweifelnd ob dieser Besuch eine gute Idee war oder ob ich mich besser in den nächsten Flieger setze.
Glücklicherweise wurde ich von einem Bekannten empfangen, der vor einigen Monaten die Freude am Fermentieren für sich entdeckte und nun seine verschiedenen Variationen an Met mit mir verkostete. Danke Esteban.

Der Einstieg war ein düsterer, doch im weiteren Verlauf lüftete sich dieser Schleier. Es gibt Schönes zu berichten…

*Name vom Autor geändert

 

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Kommentare

6 Antworten

  1. Mir erschien das Ei als erster Gedanke zum Rätsel zu ei(n)deutig ☺
    Unterm Ei befindet sich tatsächlich Kaffee? Das war wirklich mein 1. Gedanke, der sich unterm Aprikosen-Po, gebettet auf einer süßen Creme auch gut gemacht hätte.

    Verrückt dieses Land, was technisch so weit und menschlich so zurück liegt. Da schätze ich das deutsch-demokratische Mittelmaß.

    Fazit deiner China-Reise bis jetzt: es ist doch immer gut Freunde auf der Welt verteilt zu wissen.

    Viel Freude in Vietnam!

    1. Bei dem Bilderrätsel handelte es sich ’nur‘ um zwei Dotter. Da war keine Flüssigkeit im Spiel.
      Hier in Vietanm gibt es den sogenannetn Egg Coffee, der einfach göttlich ist. Was das genau ist und wie und was, warum, werde ich in Kürze ausführlicher behandeln. Es wird eine neue Sektion geben 🙂

  2. Zum Thema Sicherheit zitiere ich einfach mal die großen Dichter und Denker: „Wollen wir Sicherheit und haben drei Wünsche frei / wählen wir Eins, Eins Null und holen die Polizei“. (Fettes Brot)

    1. 🙂 Haha, Großartig! Großartig!
      Da trällert es wieder fröhlich in meiner Birne „… lässt heute wieder mal die Sau raus und wir basteln uns einen privaten SuperGAU aus…“

      Ach ja, jetzt ein Bier …

  3. Schade, dass du so ein holprigen Start in China hattest. Leider habe ich die meist unverständlichen Regeln und die Bürokratie in China auch noch sehr lebhaft in Erinnerung.
    Und trotzdem schien sich etwas Schönes finden zu lassen. Die Freude ein bekanntes, liebevolles Gesicht zu sehen und seine Anwesenheit noch mehr zu schätzen – und natürlich das gute Essen 😉 Vielleicht sind es am Ende doch die kleinen Momente und die Menschen die uns dabei begleiten, die uns glücklich machen.

    Ich drücke die Daumen das Vietnam die Stimmung wieder hebt.

    1. Zum Glück war auch nur der Start holprig, in den nächsten Anekdoten geht es entspannter zu. Und mittlerweile hat mich der Trubel Hanois so wunderbar umwoben, das ich mich wieder gaaaanz wohl fühle. Dazu dann später mehr … (Cliffhänger 🙂 )

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