Onkel Ho und die Languste

Ok, Hanoi ist nicht nur Bier und Egg Coffee. Es hat auch kulturell etwas zu bieten.

Da Vietnam ein von Kriegen gebeuteltes Land ist, nimmt dieses Thema in der geschichtlichen Betrachtung einen großen Raum ein. Dabei wird die beinah hundertjährige Kolonialregentschaft der Franzosen, gefolgt von der Verwüstung den Botschaftern der “Freien Welt”, den Amerikanern, besonders hervorgehoben. Einer der großen Helden und Ikonen aus dieser Zeit ist Onkel Ho. Dessen weltlichen Überreste liegen in leninesker Haltung im Ho Chi Minh Mausoleum aufgebahrt. Hatte ich Lenin noch nicht gesehen, war jetzt die Gelegenheit einen der verdienten Großen des Sozialismus/Kommunismus, ins Angesicht zu blicken. Diese Prozedere läuft nach strengem Protokoll ab, das in der U-förmigen Umschleusung des Vietnamesischen Patrioten mündet. Die weiß uniformierten Wachen (weiß ist die Farbe der Trauer in Vietnam) achten dabei peinlichst genau auf die Wahrung der Etikette. Diese Ernsthaftigkeit, gepaart mit der fundamentalen Bedeutung für dieses Land, ließ eine dichte Atmosphäre entstehen, die mich flau im Magen werden ließ. Anscheinend ging es nicht nur mir so. Kurz nach dem Ausgang musste sich eine junge Frau übergeben.

Um das Land und seine Geschichte tiefer zu verstehen, habe ich mich mit Lektüre versorgt und mir in Hanoi auch zwei Museen zu Gemüte geführt. Die waren zwar sehr anschaulich aber auch politisch stark indoktriniert, was die Qualität der zur Verfügung stehenden Informationen leicht begrenzte. Beispiel: Im Militärmuseum ist in einem Schaukasten eine Schere zu sehen. Auf der dazugehörigen Beschreibung war zu lesen, dass genau diese Schere vom Offizier … (seinen Namen konnte ich mir nicht merken) genutzt wurde und er ruhmreich 70 Uniformen im glorreichen Widerstand gegen die Amerikaner schneiderte. Ich gönne es Ihnen.

Ein guter Ort der Einkehr und eine Insel der Ruhe in diesem immer währenden Hanoier Chaos ist der Tempel der Literatur. Eine kleine Konfuzianische Tempelanlage, deren Besuch für mich als Schriftstellender natürlich ein Muss ist. Außerdem ist dieser Ort wirklich gut für die Kontemplation geeignet und es lässt sich Kraft für die nächsten Unternehmungen tanken. Von hier aus bin ich direkt in die Bierhalle aus dem vorherigen Artikel gelaufen : )

Irgendwann ging auch die Zeit in der zweitgrößten Stadt des Landes einmal zur Neige. Mit dem Nachtzug machte ich mich auf nach Hué, der ehemaligen Hauptstadt Vietnams, in seiner geografischen Mitte. Das Asiaten die Neigung haben es mit der Nutzung von Klimaanlagen zu übertreiben, ist hinlänglich bekannt und der Reisende ist für gewöhnlich auf technologisch hervorgerufene Kälteeinbrüche vorbereitet. Aber das mir eine Nacht im Kühlschrank bevorstehen würde, das hätte ich nicht gedacht, konnte aber das Thermometer in der Kabine bezeugen. Da ich mein gesamtes Reisegepäck bei mir hatte, habe ich mich dementsprechend darin vergraben und gehofft die Kälte zu überstehen, dabei fest mein Taschenmesser umgreifend, aus Angst von Polarbären angefallen zu werden.

Das Wahrzeichen von Hué ist seine Zitadelle, deren größtenteils rekonstruierten Überreste, seit 1993 zum Weltkulturerbe gehören. Darüber hinaus enthalten die Gemäuer die Verbotene Stadt (genau wie in Peking), die einst Teile der Kaiserlichen Sippschaft beherbergte. Ich besuchte Hué zur Zeit von Têt, dem tagelangen Vietnamesischen Neujahrsfest, das sich nach dem Mondkalender richtet und die Haupturlaubssaison des Landes darstellt.

Vor ziemlich genau 52 Jahren, 1968 startete Nordvietnam die sogenannte Têt Offensive, um die Amerikaner aus dem Land zu treiben und um das geteilte Vietnam wiederzuvereinen. Im Zuge dieser Offensive wurden über einhundert Städte im vom Besatzer kontrollierten Teil des Landes besetzt, darunter Hué. Die Amerikaner antworteten, wie schon tausende Male zuvor und danach, mit schwerem Bombardement, was den größten Teil der Zitadelle einebnete. Happy New Year.

Mein diesjähriges Têt war bomben- und böllerfrei, worüber ich mich sehr gefreut und deshalb mit einem Festmahl zelebriert habe. Was sich auf der Karte als frischer Hummer ausgab, war zwar in Wirklichkeit eine Languste, die ist mir aber auch lieber. In einer Fischbrühe mit Reisnudeln serviert, dazu Dosenbier. Ganz fein, Happy Vietnamese New Year.

 

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Kommentare

2 Antworten

  1. Happy Vietnames New Year!
    Sehr anmutig wie das gute Tierchen da in deiner Schale posiert 😉 da gab es beim Geschmack bestimmt auch noch extra Punkte.
    Ich bin schon gespannt, was es aus Taiwan zu berichten gibt. Bestimmt auch sehr sehr spannend dort.
    Weiterhin frohes Reisen 🙂

    1. Ja, aus Taiwan gibt es in kurzer Zeit schon einiges Interessantes zu berichten aber da musst Du Dich noch gedulden. Mit Vietnam bin ich noch nicht durch 🙂

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